Dr. Christian Graf, Bereichskoordinator Versorgungsinnovation, Pflege und Digitale Versorgung bei der BARMER, wird am 31. Januar 2024 von 10:30 bis 11:30 Uhr an der Hörsaal-Session „Das Potenzial der digitalen Patientenversorgung am Beispiel des BARMER Teledoktors“ auf dem BMC-Kongress in Berlin mitwirken. Wir haben vorab mit ihm darüber gesprochen, wie digitale Anwendungen wie der BARMER Teledoktor Versorgungslücken schließen können.
Seit Oktober 2019 ist die ärztliche Videosprechstunde möglich, dennoch gibt es laut BARMER Versorgungslücken. Was genau meinen Sie damit?
Tatsächlich hat die Videosprechstunde seit ihrer Einführung im Jahr 2019 kaum Verbreitung gefunden. Der während der Pandemie beobachtete Anstieg der digitalen Behandlungskontakte macht höchstens 0,5 Prozent aller ärztlichen Fälle aus. Dies liegt weit unter Expertenschätzungen und internationalen Erfahrungen, die auf ein Potenzial von mindestens 20 Prozent der Arzt-Patienten-Kontakte hinweisen. Weil nur wenige Vertragsärztinnen und –ärzte ihren Patienten eine Videosprechstunde anbieten und weil mit digitalen Konsultationen sowohl der Patientenkomfort als auch die Qualität und Effizienz der Versorgung verbessert werden kann, sehen wir hier eine echte Versorgungslücke!
Die BARMER-Daten zeigen niedrige Durchführungsraten von Videosprechstunden, besonders bei Vertragsärzt*innen. Woran liegt das?
Bisher haben nur etwa 6,5 Prozent der Vertragsärzt*innen Videosprechstunden durchgeführt. Einzige Ausnahme bildet die Psychotherapie mit einem Anteil von rund 40 Prozent. Die Gründe für die geringe Nutzung sind vielfältig und reichen von mangelnder Bereitschaft und digitaler Kompetenz der Patient*innen über infrastrukturelle Hürden und Datenschutzbedenken bis hin zu fehlenden Ressourcen und organisatorischen Voraussetzungen vor allem bei Einzel- oder kleinen Gemeinschaftspraxen.
Welche Voraussetzungen sind aus Ihrer Sicht nötig und wie will die BARMER diese Versorgungslücken schließen?
Wir benötigen ein Behandlernetzwerk mit einem übergeordneten System zur professionellen Prozessgestaltung der digitalen Versorgung. Angefangen bei der Technik, einem „Triage“-System, um Patienten, die unmittelbare persönliche ärztliche Hilfe benötigen, frühzeitig herauszufiltern, dem Terminmanagement, der Anbindung an die elektronische Patientenakte (ePA) oder das E‑Rezept und last but not least erweiterte Servicezeiten — also auch außerhalb der üblichen Praxisöffnungszeiten, abends und am Wochenende. Auch die Patientenansprache („Shared Decision Making“, Motivation zum Selbstmanagement etc.) erfordert entsprechende professionelle Kommunikation und Strukturen. Dies stellen wir durch unseren BARMER Teledoktor sicher.
Was bietet der BARMER Teledoktor konkret?
Der Teledoktor umfasst nicht nur Videosprechstunden, sondern auch Symptomchecks, digitale dermatologische Befundung, einen Terminservice und vieles mehr. Sogar digitale Krankmeldungen und AU-Meldungen wegen Erkrankung des Kindes sind möglich. Durch die erweiterten Praxisöffnungszeiten, etwa am Wochenende, können unsere Versicherten sofortigen Rat und Hilfe bekommen. Dadurch können gegebenenfalls unnötige Besuche der Notfallambulanzen in den Kliniken oder überfüllte Praxen Montag morgens vermieden werden.
Wie sieht die Zukunft der digitalen Versorgung bei der BARMER aus?
Der digitale Arzt-Patienten-Kontakt, den wir über den BARMER Teledoktor ermöglichen, ist der Ausgangspunkt einer zukünftigen digitalen Versorgungslandschaft. Diese umfasst die elektronische Patientenakte, das E‑Rezept mit Medikationsplan zur Erkennung und Vermeidung von Arzneimitteltherapierisiken oder digitale Anwendungen, die anlassbezogen, etwa zum Blutdruckmanagement, aus dem Arztkontakt heraus strukturiert angeboten werden können. Wir setzen auf eine nutzerzentrierte Weiterentwicklung, um die Bekanntheit und den Gebrauch dieser neuen Versorgungsform zu steigern. Unser Ziel ist es, für unsere Versicherten erlebbar zu machen, wie sie mithilfe der vielfältigen digitalen Services ihre gesundheitlichen Bedürfnisse möglichst optimal decken können.
Herr Dr. Graf, vielen Dank für das Gespräch.
BMC-Kongress 2024: Hörsaal-Session „Das Potenzial der digitalen Patientenversorgung am Beispiel des BARMER Teledoktors“
31. Januar 2024 |10:30–11:30 Uhr | Berlin
https://bmckongress.de/timetable/event/a5/
https://bmckongress.de/anmeldung/
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